Viele Usability-Bücher beschäftigen sich in den ersten Kapiteln mit der Bedeutung von Usability und vor allem damit, wie viel Geld man hiermit einsparen kann. Das ist super und an sich ein sehr gutes Argument für eine gute Usability.
Jedoch hilft mir das als UXler in der täglichen Arbeit mit Produktmanagern, Entwicklern und den weiteren Projektbeteiligten, die durchaus auch skeptisch gegenüber der Bedeutung von Usability eingestellt sind, nur bedingt. Im folgenden Artikel habe ich ein paar Möglichkeiten zusammengetragen, um die Akzeptanz von Usability im Unternehmen zu erhöhen.
Ich bin davon überzeugt, dass es eine Vielzahl von unterschiedlichen Möglichkeiten gibt, die Akzeptanz für Usability im Unternehmen zu erhöhen. Im Interview „Usability und Scrum 7 Fragen an Manuel Panzirsch UX Leiter bei STRATO“ bin ich bereits auf einige wichtige Punkte eingegangen. Hier sprach ich vor allem über eine offene und transparente Kommunikation in die Firma. Hier noch mal kurz die wichtigsten Maßnahmen aus dem Interview:
- Einführung von Scrum im UX-Team zur Verbesserung der Transparenz
- Einführung eines UX-Letters (wir versuchen auch den Namen so in die Firma zu kommunizieren), um alle STRATO Mitarbeiter über neue spannende Untersuchungen zu informieren
- Öffentliche Live-Übertragung von Usability-Tests für alle STRATO Mitarbeiter
- Präsentation und Diskussion von Untersuchungsergebnissen für einzelne Scrum-/Kanban-Teams
- Wichtige UX-Erkenntnisse werden übersichtlich und verständlich aufbereitet und für alle STRATO Mitarbeiter im Intranet als Kurzreport zum Download angeboten
- Umsetzung einer umfassenden UX-Guideline
- Entwickler und Produktmanager bei der GUI-Konzeption im geeigneten Maß integrieren
- Konzeption und firmenweite Einführung von Personas
- Test-Videos, die die Schwierigkeiten der Probanden bei der Bedienung aufzeigen, haben sich als sehr überzeugend erwiesen
Maßnahmen die wir unternehmen, um die Akzeptanz für UX zu verbessern
Als wir im UX-Team ganz am Anfang standen, war unsere Rolle im Unternehmen noch nicht wirklich klar definiert. So gab es auf Fragen wie,
- Sind unsere Entwürfe bindend oder sprechen wir Empfehlungen aus?
- Wer ist für die Qualitätssicherung bei der Frontend-Arbeit verantwortlich?
- Dürfen wir schlecht umgesetzte GUI-Konzepte stoppen?
- Welche Rolle übernehmen wir in den Entwicklungsteams?
keine sicheren Antworten. Dies machte es immer wieder schwierig, bestimmte Entscheidungen schnell und zur Zufriedenheit aller Projektbeteiligten zu treffen. Also bestand eine der ersten Aufgaben darin, unsere Rolle im Unternehmen klar zu definieren. Dies war ein sehr spannender Prozess, welcher einiges an Überzeugungsarbeit erfordert hat. Das Interessante hierbei ist, dass wir durchaus widersprüchliche Rollen einnehmen, je nach Projektstatus. Dies ist natürlich eine besondere Herausforderung, wenn ich z.B. in der einen Rolle entscheide und in der nächsten nur berate. Hierbei habe ich die Erfahrung gemacht, dass es sehr wichtig ist, seinem Gegenüber klar zu kommunizieren, in welcher Rolle man sich selbst gerade befindet. Dass es fünf Rollen bei uns geworden sind, ist sicherlich auch der Unternehmensstruktur von STRATO geschuldet. Bei anderen Unternehmen wären es vielleicht weniger oder mehr. Aber das aus meiner Sicht Wichtigste hierbei ist, und dies ist firmenunabhängig, dass man als UXler seine Rolle im Unternehmen kennen muss. Das heißt, wenn meine Aufgaben in der Beratung der Projektbeteiligten besteht, dann ist es wichtig, auch danach zu handeln.
Eine weitere Möglichkeit, die Akzeptanz für Usability im Unternehmen zu verbessern, ist die Einbindung der Projektbeteiligten in die Erstellung von neuen GUI-Konzepten, der Durchführung von Interviews oder Usability Tests. Denn nur jemand, der selber erlebt hat, wie komplex vermeintlich einfache Interaktionskonzepte in der Erstellung sein können, versteht auch, dass entsprechend Zeit für UX-Arbeit eingeplant werden muss. Ich denke, dass man in der Zusammenarbeit mit den Projektbeteiligten in interdisziplinären Workshops sehr gute Ergebnisse erzielen kann. Es muss nicht unbedingt ein Workshop sein. Kleine, schnelle Abstimmungsrunden am Rechner z.B. bei der Entwicklung eines neuen Interaktionskonzeptes können sehr zielführend sein. Ein weiterer Vorteil ist natürlich, dass Kollegen, die an der Entstehung der Ideen und Konzepte beteiligt waren, diese auch in weiteren Meetings viel stärker vertreten. Natürlich müssen hierbei Aufwand und Nutzen klar gegeneinander abgewogen werden. Ein 4h Workshop macht sehr viel Arbeit und sollte nicht ausschließlich dafür veranstaltet werden, um die Akzeptanz für Usability zu erhöhen.
Bei dieser engen Zusammenarbeit mit den Projektbeteiligten sollte man deren Feedback und alle Ideen entsprechend ernst nehmen. Bei manchen Vorschlägen weiß man sehr schnell, dass diese nicht in das Interaktionskonzept mit aufgenommen werden können. Hierbei sollte man darauf achten, diese Entscheidung für oder gegen den Vorschlag auch deutlich zu kommunizieren und die entsprechenden Gründe zu nennen.
Als ich bei STRATO, damals noch mit der Job Bezeichnung „Usability-Designer“, anfing und das Thema Usability bei STRATO noch nicht so etabliert war, habe ich die Erfahrung gemacht, dass es wichtig ist, in Meetings, wenn es um das Thema Usability geht, nicht immer alles sofort erreichen zu wollen. So kannst du z.B. eine Diskussion über die Bedeutung von Usability im aktuellen Projekt in einem großen Meeting mit Kollegen, die bisher selber nur wenig Erfahrung mit dem Thema haben, nur verlieren. Wenn es dabei auch noch um Geld geht, ist der erste Impuls wahrscheinlich, an der Usability zu sparen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass man solche komplexen Diskussionen am besten vertagt und besser mit den einzelnen Projektbeteiligten unter vier Augen z.B. bei einem Kaffee diskutiert. Auf diesem Weg kann man sehr zielführend mit genau einem Kollegen Vor- und Nachteile besprechen. Eine andere Möglichkeit, ein solches Meeting zu gestalten, ist proaktiv mit den einzelnen Kollegen zu besprechen und die Diskussion im Vorfeld zu führen. Hierbei ist für mich immer ganz besonders wichtig, dass man keine Spielchen mit seinen Kollegen spielt. Auch geht es nicht darum, seine Gesprächspartner zu manipulieren, sondern um Informations- und Meinungsaustausch in einem geeigneten Rahmen. Klare und offene Kommunikation, warum man mit jemanden unter vier Augen sprechen oder einen Kaffee trinken gehen möchte, ist absolut entscheidend. Einer unserer Vorstände bei STRATO hat mir gegenüber mal das Prinzip „Managed by Coffe“ erwähnt (Management by Walking around, The Coffee Cup As a Management Tool). Hierbei geht es darum, dass man als Unternehmensführung den persönlichen Kontakt mit seinen Mitarbeitern sucht, und dies klappt am besten mit einer Tasse Kaffee in der Hand :-). Ich denke, dass man dieses Prinzip auch auf die tägliche Arbeit eines UXlers projizieren kann. Wenn es bei uns irgendwas zu besprechen gibt, suche ich lieber den persönlichen Kontakt, statt lange, umständliche E-Mails zu schreiben. Auf diesem Weg kann man UX-Themen schnell und zielgerichtet besprechen.
Ein erstes Zeichen dafür, dass UX bei dir in der Firma angekommen ist, ist wenn UX-Buzzwörter im falschen Kontext verwendet werden. Sei stolz darauf, was du erreicht hast :-). Denn dies ist meiner Meinung nach ein erstes Indiz dafür, dass UX-Themen für die Kollegen und Kolleginnen immer mehr an Relevanz gewinnen. Mir fallen so einige UX-Buzzwörter ein, die vor einem Jahr noch keiner bei STRATO gekannt hat. Jetzt werden diese in sehr unterschiedlichen Kontexten verwendet.
„Marketing“ für UX – Meine Top Tipps für UXler
- Kenne, lebe und kommuniziere deine Rolle im Unternehmen.
- Beziehe alle Projektbeteiligten im geeigneten Maß in deine Arbeit mit ein.
- Nimm Feedback zu deiner Arbeit immer ernst und kommuniziere transparent deine Entscheidungen.
- Arbeite proaktiv – Warte nicht darauf, dass Kollegen und Kolleginnen auf dich zugehen.
- Hole Kollegen und Kolleginnen ab, präsentiere und kommuniziere deine Arbeitsergebnisse.
- Versuche dein Gegenüber zu verstehen, um gezielt auf die Skepsis einzugehen, am besten gemütlich bei einem Kaffee.
- Falls dein Team und du immer wieder blockiert werdet, finde für dich und dein Team zusätzliche Aufgaben, die ihr selber absolut unabhängig bearbeiten könnt.
- Achte drauf, dass du mit den Projektbeteiligten die gleiche „Sprache“ sprichst.
- Vergiss nie, worum es letztendlich geht, es geht um wirtschaftlichen Erfolg.
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